Einheimische Orchideen zwischen Faszination und Gefährdung
Datum: 04. April 2017
Referent: Dr. phil. nat. Christian Gnägi
Hanspeter Bönzli begrüsst die Versammelten. Wir haben Gäste unter uns und heissen sie willkommen: Markus Manz, Gottfried Schai und Thomas Beck. Wir begrüssen auch Sonja und Jörg Cantaluppi, ehemalige Mitglieder im Berner Verein.Nach dem Studium der Geografie, der Ökologie, Biologie und der Geologie an der ETH Zürich und der Uni Bern ist er heute freischaffender Ökologe und Geologe. Seine Firma in Herzogenbuchsee heisst weg>punkt. Er ist Autor von verschiedenen Büchern, unter anderen die Moorlandschaft von Habkern-Sörenberg oder der Karstlandschaften und Schauhöhlen der Schweiz.
Er leitet mit anderen zusammen die IG Berner Orchideen, ein lockerer Zusammenschluss von Leuten aus dem Kanton Bern, die Freude haben an wildwachsenden Orchideen. Die IG Berner Orchideen ist vernetzt mit der Arbeitsgemeinschaft Einheimische Orchideen (AGEO)
Was unsere Grosseltern noch wussten und für sie selbstverständlich war, die Blumennamen zu Beispiel, ist heute vergessen. Wer kennt denn heute noch die Goodyera repens, unsere Moosorchis mit netznervigen Blättern oder die Chamorchis alpina, die Zwergorchis mit einer Höhe von max. 15 cm, die so unscheinbar blüht, dass man sie leicht übersieht.
So ist es im Mittelland spannend wie eine richtige Schatzsuche, dass wir unsere einheimischen Orchideen finden. Sind der Löwenzahn, die Obstbäume und der Raps verblüht, sieht das Mittelland wie eine „grüne Wüste“ aus. Traurig für die Biodiversität. Die Bienen verhungern.
Also was ist so speziell an Orchideen, wo wachsen sie überhaupt? Je nach Art lieben Orchideen verschiedene Standorte: nass oder wechselfeucht, Magerwiese, hell oder schattig, warm. Die wohl bekannteste einheimische Orchidee ist der Frauenschuh (Cypripedium calceolus). Sie blüht von Mitte Mai bis Mitte Juli. Durch unterirdisch kriechendes Rhizom mit mehreren Gliedern kommt es oft zur Horstbildung. Der Blütenstand, ein bis selten dreiblütig, ist auffällig durch die pantoffelförmige Lippe und die rotbraunen Sepalen. Der hellgelbe Schuh ist zur Kesselfalle umgewandelt. Die Bienen folgen im hinteren Bereich kleinen Fenstern und vollziehen beim Ausgang die Bestäubung. Die Pflanze wohnt in lichten Wäldern auf humusreichem Kalk-und Dolomitboden. Leider ist die Art im Mittelland selten geworden. Sie ist stark gefährdet und schutzbedürftig. Bei kleinen Horsten unter 10 Pflanzen ist die Überlebenschance gleich null. Der Bestäuber fehlt. Somit werden die wenigen Pflanzen künstlich befruchtet.
Limodorum abortivum, der violette Dingel. Seine Samen sind so fein wie Mehl und es braucht tausende davon, bis überhaupt eine Pflanze gedeiht. Sie liebt lichte, sonnige Eichen- oder Föhrenwälder. Durch Überweidung, Düngung oder Waldarbeiten ist die Art stark gefährdet.
Die Mittelmeerorchideen wie z.B. die 4 Ophrysarten, die Ragwurz, lieben Magerwiesen und lichte Eichen-Föhrenwälder.
Im Kanton Bern haben wir heute noch 59 Arten. Im Berner Mittelland 42 Arten und im Emmental 30 Arten. Davon sind 15 Arten stark gefährdet. Grund zur Hoffnung gibt uns die grosse Anpassungsfähigkeit der Orchideen. Als Ersatzstandorte gedeihen auf den Flachdächern des Inselspitals und dem Spital Burgdorf etliche Arten. Auf den mit Kalkstein aufgeschütteten Eisenbahnbord blühen Ragwurzarten. Leider werden die Wegränder viel zu früh und rücksichtslos gemäht, bevor die Orchideen versamt haben.
Je mehr Menschen sich um das Schicksal unserer einheimischen Orchideen kümmern, desto eher werden sie bei uns überleben können. Es ist wichtig, dass die aktuellen Vorkommen den Orchideenschützern bekannt sind. Nur so können die ahnungslosen Garten- oder Landbesitzer über ihre verborgenen Schätze aufgeklärt werden.
Mitteilungen:
Die internationale Orchideenausstellung in Winterthur ist vorbei. Unser Stand, gestaltet von Hans-Peter Bönzli, Weyermanns, Ph. Etique, Alfred Steinger und O. Schöni, erhielt an der Standbewertung eine Silbermedaille. Die beste Hybride der Ausstellung, Cypripedium Emil von H.P. Bönzli, wurde als Champion erkoren.
Am 10. Juni 2017 findet eine Orchideenwanderung mit Jakob Gnägi in Meikirch statt. Treffpunkt 14.00 Uhr beim Restaurant Bären. Das Programm liegt auf. Eine Anmeldung ist erforderlich.
Die Flyer unserer Ausstellung 2018 in der Elfenau sind gedruckt.
An der anschliessenden Pflanzenbesprechung werden nur wenige Stücke vorgestellt.
Bericht: Brigitta Schöni