Neofinetia falcata – die Orchideen der Samurais und Shogune – Tradition und Evolution
Datum: | 02. Mai 2023 |
Referent + Fotos: | Dr. Wolgang Ermert |
Bericht: | Rita Hofmann |
Wolfgang Ermert, der Referent aus Ulm in Bayern, hat als Chemiker viele Jahre im Pflanzenschutz der Firma Bayer gearbeitet und hat unter anderem einige Zeit auf der japanischen Insel Shikoku bei der Papierfirma Daio Seishi verbracht. Er schreibt regelmässig Artikel im ‘Orchideenzauber’ OrchideenZauber | Das Magazin und vertreibt den Profidünger Gold und das Movento Schädlingsfrei, die speziell auf Orchideen abgestimmt sind. Seine längeren Aufenthalte in Japan liessen ihn die Bedeutung der Neofinetia falcata in der japanischen Kultur verstehen und viele Kontakte zu japanischen Neofinetia-Züchtern knüpfen.
Die Neofinetia falcata ist eine asiatische Orchidee, die wild in China, Korea und Japan vorkommt und botanisch neuerdings zur Gattung Vanda klassiert wird. Wegen der speziellen Bedeutung der Pflanze wurde in dem Vortrag der alte Name beibehalten.
Pflanzen haben eine grosse Bedeutung in der japanischen Kultur und Pflanzenmotive sind auf Rüstungen, Holzschnitten und Zeichnungen sehr verbreitet. Die Chrysantheme als Symbol der Vollkommenheit steht auch für den japanischen Thron, die schnellwachsende Paulownia steht für Wuchs und Kraft, der Zweig des Pflaumenbaums für Hoffnung und Vitalität, die Pfingstrose für die kaiserliche Macht. Die Neofinetia oder auch Windorchidee wurde vor allem in der Edo-Zeit (1603-1867) verehrt. Ihr Besitz war den Samurai (der Ritterkaste) und dem Shogun (Militärführer) vorbehalten und den normalen Bürgern unter Todesstrafe verboten. Sogar das Atmen auf die Pflanze war verboten.
In Japan werden viele Varietäten der Pflanze unterschieden, bei denen es sich botanisch um die gleiche Pflanze handelt. Gewöhnliche Neofinetia nennt man Fuuran, extravagante und seltene Fuukiran. Es gibt ungefähr 2200 Fuukirane, unter ihnen z. B. die Hanamatoi, die bis zu $ 60’000 pro Pflanzen kosten kann. Eine andere Rarität ist die Hanakanzashi, bei der die Zahl der Sporne der Blüten variiert, oder die Kingirasha, eine weisse, duftende, die Tamkongun mit gelb-grün gestreiften Blättern, die Kibana mit gelben Blüten, die Hakubotan mit roten Wurzelspitze. Die Varietäten werden nach verschiedenen Merkmalen der Pflanzen unterschieden und zwar nach Blattform und Blattfarbe, Wurzelspitzenfarbe, Blattansatz und Blütenform und Blütenfarbe. Bei der Tigerfärbung habe die Blätter horizontale Streifen in gelb und grün. Diese Färbung ist erblich. Einige Pflanzen können die Blattfarbe von einer Form in eine andere umwandeln, durch ein Gen, dass aus- und eingeschaltet wird. Rein gelbe Blätter gelten als Defekt. Bei der Blattform unterschiedet man z. B. eiförmige, nadelförmige und längliche Blätter, beim Blattansatz mondförmig und wellenförmig. Bei den Blüten sind die Merkmale die Zahl der Sporne (0-5), die Blütenfarben (weiss, grün, gelb, pink) und der Duft. Auch die Wurzelspitzenfarbe wird beachtet. Sie kann, bräunlich, weiss, grün, gelb, rubin, pink, und rot sein. Der Fukiran Meikan ist eine Rangliste der Japan Fukiran Association, die jedes Jahr herausgegeben wird und in der alle registrierten Neofinetia-Varietäten aufgelistet sind.
In der Nähe von Kyoto liegen Naturhabitate der Pflanze und hier gibt es auch viele spezialisierte Neofinetia- Gärtnereien. Traditionell wird die Pflanze in speziellen Töpfen auf Mooskugeln gepflanzt. Diese Kultur kennt man schon vor 1860. Es gibt Töpfereien, die sich auf Neofinetia-Töpfe spezialisiert haben. Die handgefertigten und aufwändigen Keramiktöpfe sind sehr schön und können bis zu $ 10’000 kosten. Zwar brauchen Neofinetia starkes Licht zum Blühen, aber da blaues Licht sie auch verbrennen kann, kultivieren manche Gärtnereien sie unter starkem rotem Licht. Vor allem der tigerblättrige Typ erhält sich nur bei viel Licht. Eine rot-violette Färbung der Blätter heisst, dass sie zu wenig Licht hat.
Wie viele Sukkulenten ist die Neofinetia eine CAM-Pflanze, die tagsüber die Stomata geschlossen hat, um Wasserverlust zu vermeiden. Sie darf daher nicht übergossen werden und das Substrat sollte immer vollständig austrocknen vor dem nächsten Giessen. Weniges und gleichmässiges Düngen (200 μS/l) hat sich bewährt. Die traditionelle Kultur auf Mooskugeln verhindert, dass die Pflanze übernässt, allerdings muss man darauf achten, dass das Moos sich nicht zu schnell zersetzt. Vor allem Moos aus Neuseeland ist sehr stabil und kann 4-5 Jahre halten. Chilenische und chinesisches Moos reichert Nährsalze stärker an. Moos kann auch gefährliche Pilzsporen enthalten.
Eigentlich ist die Neofinetia eine ‘Fensterbänklerorchidee’ und nicht unbedingt schwierig in der Kultur, wenn man ihre speziellen Ansprüche berücksichtigt. Sie ist klein und liebt ganzjährig ein sonniges Fenster. Sie verträgt Temperaturen Nahe dem Gefrierpunkt im Winter und im Sommer bis 37°. Gern hat sie von Oktober bis März Temperaturen zwischen 10-12°, im Juni-September kann man sie gut im Garten haben. Zur Blüteninduktion braucht sie es kühl, um 10° und genügend Phosphordünger. Dennoch ist sie nicht so häufig in den Sammlungen zu finden. In Europa führen sie nur gewisse Gärtnereien im Sortiment und nicht in so grosser Auswahl, wie man sie in Japan hat.
Vielen Dank für den interessanten Vortrag!